Eine Presspassung – auch Interferenz- oder Übermaßpassung genannt – ist eine kraftschlüssige Welle-Nabe-Verbindung, bei der Bauteile mit gezieltem Übermaß gefügt werden. Im Umfeld von Abbruchtechnik, Fels- und Tunnelbau sowie der Natursteingewinnung spielt sie eine zentrale Rolle: Achsbolzen, Büchsen und Werkzeugträger von Betonzangen, Kombischeren oder Stein- und Betonspaltgeräten werden häufig über Presspassungen sicher positioniert und gegen Relativbewegung gesichert. Das Prinzip ermöglicht die präzise Zentrierung, hohe Drehmomentübertragung und eine robuste, schwingungsfeste Verbindung – ein Vorteil in staubiger, schlagbeanspruchter Umgebung, wie sie bei Betonabbruch und Spezialrückbau, Entkernung und Schneiden oder Sondereinsatz typisch ist.
Definition: Was versteht man unter Presspassung
Unter einer Presspassung versteht man das Fügen zweier Bauteile, bei denen der Außendurchmesser des einen Teils (z. B. Welle, Bolzen) größer ist als der Innendurchmesser des Gegenstücks (z. B. Bohrung, Büchse). Beim Fügen – durch Kaltpressen oder durch Temperaturverfahren wie Schrumpfen/Kryo – entsteht ein radiales Verspannen mit Flächenpressung. Diese erzeugt Reibschluss, der Kräfte und Momente überträgt und die Verbindung gegen Relativbewegung sichert. Presspassungen werden über Toleranzklassen nach ISO 286 (z. B. Kombinationen wie H7/p6, H7/n6, P7/s6) festgelegt. Sie unterscheiden sich von Spiel- und Übergangspassungen durch das gezielte Übermaß. Typische Anwendungsfälle sind Sitzverbindungen von Zahnrädern, Riemenscheiben, Kupplungsnaben, Lageraußenringen oder verschleißfesten Büchsen und Bolzen in Gelenkpunkten von Betonzangen und Stahlscheren.
Aufbau, Funktion und Berechnungsgrundlagen
Die Presspassung erzeugt eine umlaufende Kontaktpressung zwischen Welle und Bohrung. Das Übermaß führt zu elastischer Verformung beider Partner, wodurch ein Anpressdruck entsteht. Über den Reibbeiwert μ (typisch 0,08–0,20, abhängig von Werkstoffpaarung, Oberflächen und Montagehilfsmittel) wird daraus die übertragbare Umfangskraft und das Moment bestimmt. Je größer das Übermaß und die wirksame Fügefläche (Durchmesser × Länge), desto höher die Tragfähigkeit – bis zu einem sinnvollen Maximum, denn zu großes Übermaß kann Montagekräfte, Kerbspannungen und plastische Verformungen unzulässig erhöhen. Für die Auslegung werden Toleranzlage, Materialkennwerte (Elastizitätsmodul, Streckgrenze), Temperaturbereich, Schwing-/Stoßbelastung und Oberflächenrauheit berücksichtigt. In der Praxis sind für Gelenkpunkte von Geräten mit stoßartigen Lasten (z. B. Betonzangen beim Durchtrennen bewehrter Bauteile) längen-/durchmesserbezogene Richtwerte gängig: ausreichende Fügeflächenlänge (häufig L ≈ 1,0–1,5 × d) und feingeschlichtete Oberflächen (z. B. Ra ~ 0,4–1,6 μm) verbessern Tragfähigkeit und Wiederholgenauigkeit der Zentrierung. Temperaturunterschiede wirken direkt auf die Passung: Erwärmt sich die Nabe oder kühlt sich die Welle ab, sinkt der Anpressdruck – dieser Effekt ist bei Hydraulikaggregate-nahen Baugruppen zu berücksichtigen. Die Übertragbarkeit der Presspassung bleibt nur dann stabil, wenn Rundheit, Geradheit und Fasen sauber gefertigt sind, Schmauchkanten vermieden werden und die Montage axial geführt erfolgt.
Relevanz in Betonabbruch, Rückbau und Tunnelbau
Presspassungen sind in Werkzeugaufnahmen, Drehpunkten und Büchsen von Betonzangen, Kombischeren, Multi Cutters und Stahlscheren verbreitet. Sie sichern Bolzen gegen Dreh- und Axialspiel, zentrieren Schneidarme und tragen Drehmomente ohne zusätzliche Formelemente. In Stein- und Betonspaltgeräten finden sich Presssitze beispielsweise an Führungselementen, Gehäusebüchsen oder krafteinleitenden Bolzen, die zyklisch hohen Druckstößen ausgesetzt sind. In Hydraulikaggregaten für mobile Pressen werden Presspassungen an Kupplungsnaben, Pumpenwellen oder Lüfterträgern eingesetzt, um die Ausrichtung des Antriebsstranges dauerhaft zu halten. Im Felsabbruch und Tunnelbau sowie in der Natursteingewinnung sorgen passgenau gefügte Büchsen dafür, dass Gelenkpunkte selbst unter Staub, Feuchtigkeit und abrasiven Partikeln spielfrei bleiben und sich die Lasten gleichmäßig verteilen.
Montageverfahren: Kaltpressen, Schrumpfen und Kryo-Fügen
Für die Montage stehen drei prinzipielle Wege zur Verfügung. Beim Kaltpressen wird die Welle mit einer Presse in die Bohrung eingedrückt; eine saubere Anführung (Anfasung), axiale Führung und kontrollierte Vorschubgeschwindigkeit beugen Riefenbildung vor. Beim Schrumpffügen wird die Nabe erwärmt (typisch 80–200 °C, abhängig von Werkstoff und Wärmebehandlung), sodass der Innendurchmesser temporär wächst; anschließend wird die kalte Welle zügig gefügt. Kryo-Fügen nutzt die Abkühlung der Welle (z. B. Trockeneis) zur Maßverringerung. Montagehilfsstoffe wie dünnflüssige Montageöle oder Festschmierstoffe (sparsam eingesetzt) reduzieren Fügekräfte, verändern jedoch den effektiven Reibwert – dies ist in der Auslegung zu berücksichtigen. Beim Vor-Ort-Service – etwa an Betonzangen oder Stein- und Betonspaltgeräten – kommen oft tragbare Hydraulikpressen zum Einsatz, gespeist durch Hydraulikaggregate. Wichtig sind saubere Passflächen, definierte Temperaturführung, reproduzierbare Fügekräfte und das Protokollieren der Eindrückkraft als Qualitätsmerkmal.
Demontage und Instandhaltung im Einsatz
Für die Demontage presssitzender Bolzen oder Büchsen werden hydraulische Abzieher, Ausdrückvorrichtungen oder Wärme/Kälte-Methoden verwendet. Lokales Erwärmen der Nabe oder das gezielte Kühlen des Bolzens reduziert den Anpressdruck. Schläge ohne ordentliche Abstützung können Bohrungen aufweiten oder Kanten anfasen – das verschlechtert spätere Passungen. Nach der Demontage empfiehlt sich das Prüfen von Rundheit, Oberflächenzustand und Maßhaltigkeit; verschlissene Büchsen in Gelenkpunkten von Betonzangen und Stahlscheren werden vorzugsweise ersetzt und anschließend fein ausgerieben. Einlaufspuren, Passungsrost oder Rattermarken deuten auf unzureichende Dichtung, falschen Reibwert oder eine zu geringe Fügefläche hin. Nach dem Neu-Fügen sollte die Verbindung unter Betriebsbedingungen kontrolliert werden, etwa durch Messung der Lagerluft, des Losbrechmoments oder über akustische/thermische Auffälligkeiten während des Probelaufs.
Normen, Toleranzen und Passungswahl
Die Passungswahl erfolgt nach ISO 286 (Toleranzklassen und -lagen) sowie gängigen Berechnungsregeln für Welle-Nabe-Verbindungen. Für leichte bis mittlere Beanspruchung sind Übergänge wie H7/m6 bis H7/n6 üblich, für höhere Lasten H7/p6 oder P7/s6. Die geeignete Wahl hängt stark von Durchmesser, Länge, Werkstoffpaarung, Lastfall (Drehmoment, Querkräfte, Stoß), Temperatur und erforderlicher Demontierbarkeit ab. In schwingungs- und stoßbelasteten Anwendungen – beispielsweise beim Zerkleinern von Beton – werden eher robuste Toleranzlagen und ausreichend lange Fügeflächen bevorzugt. Wichtige Einflussgrößen sind:
- Durchmesserbereich und Fügeflächenlänge
- Werkstoffeigenschaften (E-Modul, Streckgrenze, Wärmeausdehnung)
- Oberflächenqualität und Formtoleranzen
- Betriebslasten: statisch, wechselnd, stoßend
- Temperatur und Umwelt: Feuchte, Staub, Schlämme, Korrosion
- Wartungsstrategie: demontierbar oder dauerhafte Verbindung
Werkstoffe, Oberflächen und Korrosionsschutz
Häufige Materialpaarungen sind gehärtete Bolzen (induktiv oder durchgehärtet) mit verschleißfesten Stahl- oder Bronzebüchsen. Eine feine Oberflächenstruktur begünstigt gleichmäßigen Flächenkontakt und reduziert Kerbwirkung. Für rauen Einsatz – etwa in Felsabbruch und Tunnelbau – schützen Dichtungen und Fettkammern die Passflächen vor Partikeln; bei längeren Stillständen verhindert ein leichter, geeigneter Korrosionsschutz Passungsrost. Galvanisch ungünstige Kombinationen sollten vermieden oder elektrisch isoliert werden. Wo hohe Temperaturen auftreten (z. B. in der Nähe von Pumpenwellen in Hydraulikaggregaten), ist die Wärmeausdehnung in der Passungswahl zu berücksichtigen, um ein Abfallen des Anpressdrucks zu vermeiden.
Berechnungsbeispiel: Übermaß und Tragfähigkeit
Beispielhaft: Ein Gelenkbolzen d = 60 mm, Fügefläche L = 80 mm, soll ein Reibschlussmoment von 1,2 kN·m übertragen. Mit einem konservativen Reibbeiwert μ = 0,12 ergibt sich eine benötigte Umfangskraft T = M / (0,5·d) ≈ 1,2 kN·m / 0,03 m = 40 kN. Der erforderliche mittlere Anpressdruck p ergibt sich aus T = μ · p · A, mit A = Umfang · Länge = π·d·L ≈ 3,1416·0,06 m·0,08 m ≈ 0,0151 m². Damit p ≈ 40.000 N / (0,12 · 0,0151 m²) ≈ 22 MPa. Das zugehörige Übermaß ergibt sich aus den Elastizitäten der Teile (vereinfachte Zylinderannahme). Je nach E-Modul und Wandstärke resultiert typischerweise ein Übermaß im Bereich einiger 10 μm. Das Beispiel dient lediglich der Orientierung; die tatsächliche Auslegung erfordert eine detaillierte Betrachtung von Werkstoffen, Geometrie, Temperatur und Sicherheitsbeiwerte.
Typische Fehlerbilder und Abhilfe
In der Praxis treten wiederkehrende Muster auf, die sich durch gezielte Maßnahmen vermeiden lassen:
- Passungsrost: Feuchte/Schlämme dringen ein; Abhilfe: Dichten, geeigneter Korrosionsschutz, saubere Passsitzkanten.
- Rattermarken/Brinelling: Mikrorelativbewegungen durch zu geringen Anpressdruck; Abhilfe: Passung anpassen, Fügefläche verlängern, Reibwert stabilisieren.
- Aufweitung der Bohrung: Demontage mit Schlägen ohne Abstützung; Abhilfe: hydraulisch auspressen, Erwärmung/Kryo, passende Ausdrückwerkzeuge.
- Montageschäden: Gratbildung, Riefen durch fehlende Fasen; Abhilfe: Entgraten, Anfasen, axiale Führung, geeignete Montagegeschwindigkeit.
- Temperaturbedingtes Lösen: Anpressdruck fällt im Warmbetrieb; Abhilfe: Passungswahl auf Temperaturprofil abstimmen, Werkstoffpaarung prüfen.
Qualitätssicherung und Prüfung
Zur Sicherstellung einer langlebigen Presspassung werden Maß- und Formtoleranzen gemessen (Innen-/Außenmikrometer, Taster), Oberflächen bewertet und die Eindrückkraft dokumentiert. Eine blaugefärbte Flächenkontaktprüfung zeigt punktuelle Hochlagen. Nach der Montage sind Rundlauf, Fluchtung und – bei Gelenkpunkten von Betonzangen sowie Stein- und Betonspaltgeräten – das Losbrech- und Bewegungsmoment zu prüfen. In belasteten Anwendungen helfen regelmäßige Sichtkontrollen auf Rostnester, Späne und Spiel. Bei sicherheitsrelevanten Bauteilen kann ergänzend eine zerstörungsfreie Prüfung sinnvoll sein, abhängig vom Einsatzbereich im Betonabbruch und Spezialrückbau oder in Sondereinsätzen.
Sicherheit und allgemeine Hinweise
Arbeiten an Presspassungen erfordern geeignete persönliche Schutzausrüstung und sichere Handhabung von Hitze, Kälte und Hydraulikkräften. Schrumpf- und Kryo-Verfahren sind mit Sorgfalt und geeigneter Belüftung auszuführen. Schweißarbeiten im Bereich von Presssitzen verändern Materialeigenschaften und sollten nur nach fachlicher Bewertung erfolgen. Maß- und Passungsangaben sind anwendungsabhängig; maßgeblich sind die jeweils gültigen Normen und die konstruktiven Vorgaben. Im Zweifel ist eine fachkundige Prüfung zweckmäßig – insbesondere an Baugruppen der Darda GmbH, die in schlag- und schwingungsintensiven Einsatzbereichen arbeiten.





















