Kompensationserdung

Die Kompensationserdung ist ein zentrales Konzept der elektrischen Energieversorgung, das vor allem in Mittelspannungsnetzen eingesetzt wird. Für Anwendungen wie Betonabbruch und Spezialrückbau, Felsabbruch und Tunnelbau sowie bei der Entkernung und beim Schneiden ist das Verständnis dieser Erdungsart relevant, weil Bau- und Rückbauprozesse zunehmend in netznahen Umgebungen stattfinden. Metallische Werkzeuge und Anbaugeräte – etwa Betonzangen oder Stein- und Betonspaltgeräte – bilden großflächige leitfähige Strukturen, die bei Erdschlüssen Potenzialunterschiede aufnehmen können. Dieses Wissen hilft, Baustromsysteme, Potenzialausgleich und Schutzmaßnahmen praxisgerecht zu planen und den Betrieb von Hydraulikaggregaten und Schneidwerkzeugen sicher zu gestalten.

Definition: Was versteht man unter Kompensationserdung

Unter Kompensationserdung (auch Neutralpunktkompensation oder resonante Erdung) versteht man die Erdung eines Netzes über eine induktive Drossel, die sogenannte Petersen-Spule. Sie wird am Neutralpunkt des Transformators angeschlossen und so eingestellt, dass der bei einem einpoligen Erdschluss fließende kapazitive Erdschlussstrom des Netzes weitgehend kompensiert wird. Ziel ist es, den Fehlerstrom zu minimieren, Erdschlusslichtbögen zu löschen, die Berührungsspannungen zu reduzieren und die Versorgung aufrechtzuerhalten, bis der Fehler selektiv lokalisiert und behoben werden kann.

Funktionsprinzip und Komponenten

Das Mittelspannungsnetz besitzt gegenüber Erde verteilte Kapazitäten. Kommt es zu einem einpoligen Erdschluss, fließt ein kapazitiver Strom zur Fehlerstelle. Die Petersen-Spule erzeugt einen induktiven Strom, der diesem kapazitiven Strom phasenverschoben entgegenwirkt. Bei richtiger Abstimmung ist der Reststrom klein, der Erdschlusslichtbogen erlischt häufig selbsttätig, und die thermische sowie mechanische Beanspruchung der Anlage sinkt. Moderne Systeme besitzen automatische Nachführung, um die Spule an wechselnde Netzkapazitäten anzupassen. Schutzgeräte, etwa wattmetrische Erdschlussschutzrelais, erfassen den verbleibenden Wirkleistungsanteil und ermöglichen die selektive Fehlerortung.

Neutralpunktbehandlung im Vergleich

Netze können starr geerdet, hochohmig über Widerstand geerdet, isoliert oder kompensiert betrieben werden. Bei starrer Erdung fließen hohe Fehlerströme, die schnellen Leitungsschutz ermöglichen, allerdings höhere thermische Auswirkungen verursachen. Isolierte Netze vermeiden hohe Ströme, bergen aber das Risiko für transiente Überspannungen. Die Kompensationserdung vereint geringe Fehlerströme mit verbesserter Lichtbogenstabilität und erlaubt einen kurzzeitigen Weiterbetrieb, bis Maßnahmen ergriffen sind – ein Vorteil bei komplexen Versorgungen von Tunnel- oder Rückbauprojekten mit zeitkritischen Abläufen.

Relevanz für Baustellen, Rückbau und Gewinnung

In Arealen mit kompensiert geerdeten Mittelspannungsnetzen – etwa Zuführungen zu Werksgeländen, Tunneln oder größeren Steinbruch- und Rückbauprojekten – beeinflusst die Neutralpunktbehandlung die Gefährdungsbeurteilung. Leitfähige Maschinenrahmen, Rohrleitungen, Bewehrungen und Werkzeuge wie Betonzangen, Stein- und Betonspaltgeräte, Steinspaltzylinder, Stahlscheren oder Tankschneider können im Fehlerfall Potenziale gegenüber Erde annehmen. Ein durchdachtes Erdungs- und Potenzialausgleichskonzept reduziert Schritt- und Berührungsspannungen und erhöht die Verfügbarkeit der Baustromversorgung für Hydraulikaggregate und Steuerungen.

Schritt- und Berührungsspannungen im Kontext der Kompensationserdung

Auch bei kompensierter Erdung verbleibt ein Reststrom. In der Umgebung einer Erdungsanlage können gefährliche Potenzialtrichter entstehen. Relevante Szenarien sind temporäre Baustromstationen, Trafocontainer, mobile Verteilungen sowie lange metallische Konstruktionen. Werden Betonkörper mit Betonzangen getrennt oder mittels Stein- und Betonspaltgeräten aufgerissen, entstehen neue leitfähige Verbindungen (z. B. freigelegte Bewehrungen), die in den Potenzialausgleich einzubeziehen sind. Schutzmaßnahmen umfassen ausreichende Erdungswiderstände, Potenzialausgleichsleiter, isolierende Standflächen sowie das Vermeiden unkontrollierter Erdschleifen.

Planung der Baustromversorgung in kompensierten Netzen

Die Planung berücksichtigt Netzform, Erdungswiderstand der Baustelle, Selektivität der Schutztechnik und die Verlegung von Leitungen. Bei der Einspeisung über kompensierte Mittelspannungsnetze ist die Koordination von Erdschlussschutz und nachgelagertem Überstromschutz entscheidend, damit temporäre Anlagen sicher abschalten, ohne die übergeordnete Versorgung unnötig zu beeinträchtigen. Für Geräte mit hohen Einschaltströmen, wie Hydraulikaggregate, sind angemessene Anlaufkonzepte und Absicherung vorzusehen, um Fehlauslösungen zu vermeiden.

Praktische Schwerpunkte

  • Ermittlung der Netzform und Abstimmung mit dem Netzbetreiber über Kompensation und Schutzphilosophie.
  • Auslegung der Erdungsanlage mit Fokus auf niedrige Übergangswiderstände und gleichmäßige Potenzialverteilung.
  • Konsequenter Potenzialausgleich aller leitfähigen Teile von Maschinen, Werkzeugen und Bauhilfsmitteln.
  • Führung von Energiekabeln mit Blick auf Schleifenminimierung und EMV-gerechte Verlegung.
  • Dokumentierte Prüfung der Schutzmaßnahmen vor Inbetriebnahme und in Intervallen.

Metallische Werkzeuge und Hydraulik: Erdung und Potenzialausgleich

Hydraulisch angetriebene Werkzeuge wie Kombischeren, Multi Cutters, Betonzangen und Stahlscheren sind über Rahmenteile, Schlauchsysteme und Kupplungen mit der Trägermaschine verbunden. Sie bilden damit großflächige, teils bewegliche Leiter. Eine systematische Einbindung in den Potenzialausgleich des Arbeitsbereichs verhindert Potenzialunterschiede beim Kontakt mit Erdreich, Bewehrung oder Rohrleitungen. Hydraulikaggregate sind mit Schutzleitern zu verbinden; metallische Schutzeinhausungen, Schlauchschutzspiralen und Aufbauten sind in den Schutz- und Funktionspotenzialausgleich einzubeziehen.

Besonderheiten bei Betonzangen und Stein- und Betonspaltgeräten

Beim Trennen oder Spalten von Stahlbeton entstehen Kontaktpunkte zwischen Werkzeug und Bewehrung. Diese Kontaktstellen können leitfähig gegen Baustromanlagen sein. Eine klare Festlegung der Erdungspunkte an Stahlkonstruktionen, die Verwendung kurzer Potenzialausgleichsverbindungen mit ausreichendem Querschnitt sowie der Einsatz isolierender Unterlagen für Bedienpersonal reduzieren Risiken. Bei Stein- und Betonspaltgeräten sind zudem Gesteinsfeuchte und eventuell leitfähige Bohrlochwässer zu beachten, die lokale Potenzialpfade begünstigen können.

Messung, Prüfung und Dokumentation

Vor Inbetriebnahme werden Schutzleiterwiderstände, Schleifenimpedanzen, Isolationswerte und die Wirksamkeit der Abschaltbedingungen geprüft. In kompensierten Netzen sind zusätzlich Erdschlussschutzfunktionen sowie die Selektivität gegenüber nachgelagerten Schutzorganen zu verifizieren. Wiederholungsprüfungen dokumentieren den Zustand der Erdungsanlage – besonders wichtig auf länger laufenden Projekten im Tunnelbau oder bei Natursteingewinnung mit wechselnden Arbeitsfeldern.

Typische Fehlerszenarien und Schutztechnik

Einpolige Erdschlüsse durch beschädigte Kabel, Feuchtigkeitseintritt in Verteilern oder mechanische Einwirkungen zählen zu den häufigsten Fehlern. Die Kompensationserdung begrenzt den Fehlerstrom, dennoch muss der Fehler detektiert werden. Dazu dienen wattmetrische Relais, Richtungselemente und Isolationsüberwachungen. Bei intermittierenden Erdschlüssen, etwa durch vibrierende Kabelwege nahe schwerer Abbruchgeräte, unterstützt eine schnelle, empfindliche Fehlererfassung die Lokalisierung, ohne den Baustrom unnötig zu unterbrechen.

EMV, Steuerungen und Funk

Große leitfähige Flächen und bewegte Metallteile wirken sich auf elektromagnetische Verträglichkeit aus. Eine sauber geführte Erdungs- und Schirmungsstrategie schützt Steuerungen von Hydraulikaggregaten, Funkfernsteuerungen von Betonzangen oder Multi Cutters sowie Sensorik. Symmetrische Kabelwege, sternförmige Potenzialausgleiche und der Verzicht auf geschlossene Schleifen senken Störanfälligkeiten – besonders in Netzen mit Kompensation, in denen transiente Vorgänge bei Erdschlusslöschung auftreten können.

Organisatorische Maßnahmen und Schulung

Technische Maßnahmen wirken am besten, wenn sie durch klare Abläufe ergänzt werden: definierte Erdungspunkte, Freigaben nach Prüfungen, regelmäßige Sichtkontrollen von Potenzialausgleichsleitern, Kennzeichnung von Erdungsanschlüssen an mobilen Anlagen und Einweisung des Personals. Bediener von Betonzangen, Stein- und Betonspaltgeräten sowie Betonzangen-Hydraulikeinheiten sollten die Grundlagen von Schritt- und Berührungsspannungen kennen, Warnzeichen bei Erdschlussereignissen erkennen und sichere Verhaltensweisen anwenden.

Orientierung an Regeln der Technik

Planung, Errichtung und Betrieb von Erdungsanlagen, Schutz- und Potenzialausgleich in Bereichen mit Kompensationserdung erfolgen nach den jeweils geltenden Normen und anerkannten Regeln der Technik. Dazu zählen Vorgaben zur Neutralpunktbehandlung, zur Auslegung von Erdungsanlagen, zur Schutzmaßnahme-Auswahl und zur Prüfung elektrischer Anlagen. Die konkrete Umsetzung ist projektspezifisch abzustimmen und sollte durch fachkundige Personen verantwortet werden.